Schwarze Fledermaus

Redakteur-Walter Spiegl

home


Walter Spiegl, April 2006 


vlnr: W. Spiegl, R. Gallun, W. Ernsting; ca. 1955/1956

Walter Spiegl, geboren am 28.07.1934 in der westböhmischen Stadt Asch (heute Tschechische Republik), kam 1945, wenige Monate nach Kriegsende, nach Westdeutschland. Von 1946 bis 1952 besuchte er das Gutenberg-Realgymnasium in Wiesbaden und machte das Abitur an der dortigen Wirtschaftsoberschule (1955). Englisch war sein Lieblingsfach, und der American way of life faszinierte ihn. In Wiesbaden lag damals das Hauptquartier der U. S. Air Force, und hier hatte er die erste Berührung mit amerikanischen pocketbooks und pulp magazines. Zusammen mit seinem Schulfreund Rolf Schiedhering half er dessen Mutter, die im beschlagnahmten und als recreation center für die amerikanischen Soldaten genutzen Wiesbadener Kurhaus (der Zutritt für Deutsche war streng untersagt) den Coca Cola-Verkaufsstand betrieb, sowie deren Freundin, die den Stars and Stripes-Zeitungsstand führte, und hatte auf diese Weise Zugang zur Klubbibliothek, wo er sich für Science Fiction, Fantasy, Western und Kriminalromane sowie den gesamten Bereich der amerikanischen Unterhaltungsliteratur interessierte.

Schon früh erkannte er den Unterschied zwischen dem lebendigen, actionreichen und atmosphärisch stimmigen Erzählstil der amerikanischen Autoren und den eher hausbackenen "Erfindungen" deutscher Autoren . Unter diesen Eindrücken reifte der Entschluss, amerikanische Unterhaltungsliteratur in deutscher Übersetzung einem breiten Publikum näherzubringen, was damals nur in Form von "Groschenheften" möglich war, denn deutschsprachige Taschenbücher gab es noch nicht. Schon während der Schulzeit, entstand in Zusammenarbeit mit Walter Ernsting die erste Übersetzung für den Erich Pabel-Verlag in Rastatt: ein Science Fiction-Roman der Autorin Andre Norton.

Nach dem Abitur wollte Walter Spiegl zur Frankfurter Allgemeinen als Volotär gehen, aber es war keine Stelle frei. Dank seiner ausgezeichneten Beherrschung des Amerikanischen bekam er eine Anstellung bei der American Express Company in Frankfurt, wo ihn eine Anfrage des Pabel-Verlags erreichte, ob er als Nachfolger Walter Ernstings, der sich überwiegend dem Schreiben widmen wollte (Clark Darlton) nach Rastatt kommen wolle, um die SF-Reihen UTOPIA-Großband und den UTOPIA-Sonderband (Kurzgeschichten) redaktionell zu leiten Am 1. Juni 1955 zog er nach Rastatt und betreute neben den genannten Publikationen die Reihen Pabel-Western, Pabel-Kriminalroman und UTOPIA-Kriminal, in denen unter seiner Regie fast ausschließlich Romane amerikanischer Autoren erschienen.

Die Abenteuer der Schwarzen Fledermaus begannen mit Band 100 der Reihe Pabel-Kriminal. "Die Fledermaus schlägt zu" von G. W. Jones ist die Übersetzung von "League of the faceless men" aus der pulp-Reihe Black Book Detective (Ausgabe Winter 1951) von Better Publications. Die Umschlaggrafik besorgte Rudolf Siebert Lonati, und als "Inspiration" für das Fledermaus-Logo auf den Pabel-Kriminal-Umschlägen diente Walter Spiegl nach eigener Aussage die Fledermaus-Silhouette im Scheinwerferkegel aus den "Batman"-Comics.

Der Start der Fledermaus-Serie führte zu rund 50 weiteren Übersetzungen amerikanischer Black Bat-Episoden, und nachdem keine Originaltexte mehr zur Verfügung standen, zu ca. 700 Geschichten deutscher Autoren, diversen Taschenbüchern, Leihbüchern, Sammelbänden etc. (siehe auch Galerie).

Walter Spiegl war 1958 nach München gegangen, arbeitete aber weiter freiberuflich für Pabel. Er ließ die Romane übersetzen, gab die Umschlaggrafik bei Lonati in Auftrag und schickte die Manuskripte nach Rastatt, wo sie satzfertig bearbeitet und gedruckt wurden. Als Übersetzer beschäftigte Walter Spiegel:

Frau M. F. Arnemann,
Heinz Zwack,
Lothar Heinecke,
Bodo Baumann,
Walter K. Baumann,
Robert W. Eiben (Rainer Eisfeld).

Selbst übersetzte er die Leihbuchausgabe "Des Mörders Geheimnis" (The Murder Prophet).

Mit Band 179, als der Vorrat an amerikanischen Originalausgaben erschöpft war, endet auch die Betreuung der Fledermaus-Reihe durch Walter Spiegl. Die Weiterführung mit nun ausschließlich deutschen Autoren erfolgte durch Herrn Voigt im Pabel-Verlag, der bis Band 178 Lektor und Bearbeiter war und ab Nr. 179 die Redaktion übernahm.

Heute (April 2006) lebt Walter Spiegl im Voralpenland südöstlich von München und übersetzt auch noch, allerdings keine Western, SF oder Krimis, sondern Sachbücher. - Tempora mutantur ...

Inzwischen erfreuen sich junge und gestandene Leser und Sammler wieder an den über 40 Jahre alten Abenteuern von Tony Quinn und Kommissar McGrath, was ohne das perönliche Engagement Walter Spiegls für die Schwarze Fledermaus nicht möglich wäre. Dafür gilt ihm mein ganz besonderer Dank.

 

Nico Mathies

 

Quelle: Gespräch mit Walter Spiegl am Mittwoch, den 19.4.2006, in Rettenbach an der Attel, Landkreis Rosenheim.